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Über die Vermessung der Unsicherheit

Als Datenwissenschaftlerin arbeitet Sahani Pathiraja an statistischen Methoden, um bessere Vorhersagen in einer komplexen Welt zu treffen. In diesem Interview spricht sie über ein schnell wachsendes Forschungsgebiet, das sich in der gesamten akademischen Welt ausbreitet.

Sahani, Sie sind Mitglied der Young Academy for Sustainability am FRIAS und Tenure-Track-Professorin für Data Science an der University of South Wales in Australien. Ihr Forschungsgebiet hat in der akademischen Welt, aber auch darüber hinaus viel Aufmerksamkeit erregt. Worum geht es bei den Datenwissenschaften?

Je nachdem, wen Sie fragen, werden Sie wahrscheinlich verschiedene Antworten auf diese Frage erhalten. Einige werden es mit maschinellem Lernen gleichsetzen, aber für mich umfasst die Datenwissenschaft diverse Methoden, die im Wesentlichen darauf abzielen, große Datenmengen auf effektive Art und Weise zu nutzen. Data Science ist grundsätzlich interdisziplinär und bringt Wissenschaftler*innen sowie Ansätze aus verschiedenen Bereichen wie der Mathematik, Statistik, Ingenieur- und Computerwissenschaften zusammen, wobei der Schwerpunkt auf praktischen Fragestellungen liegt. Mein persönliches Forschungsinteresse liegt vor allem darin, besser zu verstehen, wie neue Methoden der Datenwissenschaft und des maschinellen Lernens funktionieren, und damit praktisch nutzbare, aber mathematisch fundierte Theoreme zu entwickeln, welche die Funktionsweisen dieser Methoden darlegen.

Wie sind Sie auf Datenwissenschaften gekommen?

Durch meinen beruflichen Werdegang habe ich einen interdisziplinären Hintergrund. Promoviert habe ich im Bereich Umwelttechnik, wo ich an Algorithmen zur Datenassimilation arbeitete, um bessere hydrologische und meteorologische Vorhersagen, z. B. in Bezug auf Hochwasserereignisse, zu erstellen. Ich begann, mich mehr und mehr für die mathematische und statistische Seite dieser Methoden zu interessieren, was mich dann dazu veranlasste, einen  Post Doc in Mathematik zu absolvieren, wo sich meine Forschung darauf konzentrierte, die theoretischen Eigenschaften einer neuen Klasse von Datenassimilationsmethoden besser zu verstehen. Manchmal fühlte ich mich aufgrund meines interdisziplinären Hintergrunds ein wenig identitätslos, denn in der akademischen Welt wird oft verlangt, dass man sich spezialisiert. Dies fiel mir sehr schwer und glücklicherweise hat die Datenwissenschaft meinen verschiedenen Interessen ein Zuhause gegeben. Mit meiner Postdoc-Ausbildung versuche ich nun, die verschiedenen Aspekte meines akademischen Werdegangs zu kombinieren.

Durch Ihre Forschung sind Sie mit vielen Bereichen wie Hydrologie, Nachhaltigkeitsstudien oder Biomedizin in Berührung gekommen. Wie funktioniert diese Zusammenarbeit?

Was die Hydrologie angeht, verfüge ich durch mein Bachelor- und Promotionsstudium in Umwelttechnik mit einem gleichzeitigen Abschluss in Mathematik über solide Fachkenntnisse. Zudem bin ich gut mit der Hydrologie-Community vernetzt. Im biomedizinischen Bereich war ich an einem Projekt beteiligt, das sich mit der Modellierung des Blutflusses durch das Gehirn befasste, um die Bildung von Aneurysmen vorherzusagen. Besonders herausfordernd bei der Modellierung des Blutflusses ist die Quantifizierung der Unsicherheit. Zusammen mit meinen Mitarbeitenden - Informatiker und CFD-Modellierer - haben wir eine neue Methode entwickelt, um die Quantifizierung der Unsicherheit in einem der schwierigsten Bereiche der zerebralen Blutflussmodellierung zu verbessern: der Spezifikation der Modellgeometrie.  Diese Zusammenarbeit war besonders fruchtbar, da unsere unterschiedlichen Fachkenntnisse dazu beitrugen, sowohl die theoretischen, rechnerischen als auch die medizinischen Anwendungsaspekte dieses Projekts zu behandeln.

Als Mitglied der Young Academy for Sustainability Research erhalten Sie einen vertieften Einblick in Nachhaltigkeitsthemen. Welche Erfahrungen haben Sie hier bisher gemacht?

Die YAS gibt mir die Möglichkeit, mit Wissenschaftler*innen aus Forschungsbereichen zu interagieren, mit denen ich vorher nicht zu tun hatte: Forschende aus den Geistes- und Politikwissenschaften oder der Anthropologie, zum Beispiel. Und obwohl ich mich in Australien bin und andere Mitglieder auf der ganzen Welt verstreut sind, haben wir einen lebendigen Austausch. Gemeinsam mit meinem YAS-Kollegen und Historiker Javier Francisco habe ich ein Projekt zum Verständnis der historischen Entwicklung von Umweltzerstörung und Sklaverei während der Kolonialisierung in der Karibik ins Leben gerufen. In der historischen Forschung in diesem Bereich wurden traditionell einzelne Fallstudien für verschiedene karibische Inseln untersucht, wobei man sich auf historische Quellen wie Dokumente und Karten stützte. Unser Ziel ist es, gemeinsame Muster für mehrere Inseln in der Karibik zu identifizieren. Mithilfe von Methoden aus den Datenwissenschaften versuchen wir, ein Modell zu erstellen, das diese Muster auf breiterer Ebene erklären kann und die gesamte karibische Region anstelle von isolierten Fallstudien umfasst. Für mich sind diese Erfahrungen aus verschiedenen Anwendungsbereichen sehr bereichernd, weil sie mir helfen, meine theoretische Arbeit zu verbessern. Und natürlich erweitern sie auch meinen persönlichen Horizont.

 

Über Sahani Pathiraja

Dr. Sahani Pathiraja ist Assistenzprofessorin (Tenure Track) an der Fakultät für Mathematik und Statistik der University of New South Wales. In ihrem Promotionsstudium arbeitete sie an der Verbesserung von Datenassimilationsalgorithmen für verbesserte Umweltvorhersagen. Ihre derzeitigen Forschungsschwerpunkte liegen in den mathematischen und statistischen Grundlagen verschiedener datenwissenschaftlicher Methoden. Sahani Pathiraja war eines der Gründungsmitglieder der Young Academy for Sustainability, die im September 2021 am FRIAS eingerichtet wurde.

Das Interview führte Dr. Max Bolze, Leitung Presse-und Öffentlichkeitsarbeit, Übersetzung aus dem Englischen von Lilly Kanthak, veröffentlicht am 10.10.2023.