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Workshop - Urbane Muße. Materialitäten, Praktiken, Repräsentationen

SFB 1015 Muße. Grenzen, Raumzeitlichkeit, Praktiken
When May 02, 2019 12:00 AM to
May 04, 2019 12:00 AM
Where FRIAS, Albertstr. 19, Seminar Room
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Contact Phone +49 (0)761 203-97353
Attendees universitätsoffen / open to Unviersity members
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Geschwindigkeit, Beschleunigung, Zeitverdichtung, Zweckrationalität und Effizienz sind immer wieder genannte Schlagworte unserer Gegenwart, die sich aufs Engste mit der Stadt verbinden. Im urbanen Raum sind Betriebsamkeit, Hektik und Geschäftigkeit zentrale Merkmale und unterwerfen den Menschen vermeintlich einer zunehmenden Funktionalisierung. Die Brüchigkeit dieser Dominanz zeigt sich aber bereits in Figuren wie der des Flaneurs, der sich gerade im Getriebe der Großstadt in Gelassenheit bewegt. Und auch scheinbar gänzlich gegenläufige Tendenzen lassen sich erkennen: Orte wie Stadtparks, Museen oder andere Freizeiteinrichtungen suggerieren ebenso Refugien der Entschleunigung wie eine wachsende ‚Erholungsindustrie‘. Im selben Moment können aber solche Angebote wieder den Mechanismen der Zweckgebundenheit und der Selbstoptimierung unterliegen.

Im Rahmen des SFB 1015 Muße der Universität Freiburg werden fächerübergreifend genau diese Spannungsmomente diskutiert und mit der Tagung „Urbane Muße. Materialitäten, Praktiken, Repräsentationen“ einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Im interdisziplinären Dialog sollen Freiräume der Muße im urbanen Raum identifiziert und damit eine Diskussion darüber angestoßen werden, in welchem Zusammenhang Urbanität und Muße stehen. Muße versteht der SFB nicht primär als an bestimmte Tätigkeiten oder Räume gebunden, sondern als freies Verweilen in der Zeit, das sich jenseits von Zweckgebundenheit und Leistungserwartung wiederfindet. Sie wird in paradoxalen Wendungen wie ‚tätige Untätigkeit‘ oder ‚produktive Unproduktivität‘ fassbar, die immer auch auf ihre gesellschaftliche Dimension verweisen. Vor diesem Hintergrund bilden Muße und Arbeit genauso wenig einen polaren Gegensatz wie Muße und Freizeit als deckungsgleich zu verstehen sind. Zudem verfügt Muße über ein transgressives Potenzial: Selbst im größten Stress und in überbordender Hektik können sich Momente einstellen, in denen sich das Individuum aus diesen Umständen löst. 
Die Verbindung des Konzepts Muße mit dem Komplex der Urbanität wirft vielfältige Fragen auf: Wie äußern sich Möglichkeiten der Muße im urbanen Raum und Gesellschaftsgefüge? Gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Stadttypen (z.B. Kleinstadt, Großstadt oder Metropole) und den Mußeformen, die sich dort ausmachen lassen? Ist die traditionelle Dichotomie zwischen Stadt und Natur in Bezug auf urbane Mußeerfahrungen haltbar? Wie verhält sich urbane Muße zu jüngsten Entwicklungen wie etwa der Herausbildung von ‚global cities‘ oder den spezifischen Bedingungen postkolonialer Städte? Wie lässt sich die Spannung zwischen Privilegienstruktur und gesellschaftlicher Autonomie in der Stadt auf Muße beziehen? Inwiefern spielen Genderaspekte eine Rolle in Bezug auf urbane Muße?
Diese Fragen stehen im Zentrum der Tagung mit Beiträgen aus verschiedenen Disziplinen, wobei geistes-, kultur- und sozialwissenschaftliche Perspektiven einander ergänzen sollen. Darauf verweisen auch die leitenden Kategorien des Tagungstitels: Muße äußert sich in der materiellen Ausgestaltung des urbanen Raums, in den Handlungen der Akteur*innen sowie in unterschiedlichen medialen Repräsentationen.
Ziel der Tagung ist es, historisch-diachrone Betrachtungen mit gegenwartsorientierten Überlegungen zu verbinden und auf diese Weise Kulturgeschichten urbaner Muße zu diskutieren. Darüber hinaus soll urbane Muße nicht aus einem rein eurozentrischen oder ‚westlichen‘ Blickwinkel betrachtet, sondern die globale Vielfalt von Mußekulturen zum Gegenstand der Debatte gemacht werden.

 

Folgende thematische Schwerpunkte sind vorgesehen:

Architektur und Stadtplanung
Urbane Muße äußert sich unter anderem in konkreten Räumen und baulichen Strukturen des städtischen Raumes: Angesichts neuer Stadtformen und -konzepte wie ‚creative‘ und ‚global city‘‚ der ‚funktionalen‘ oder ‚schrumpfenden‘ Stadt stellt sich die Frage, inwiefern durch freigesetzte kreative Potenziale und besondere Formen der Aneignung neue oder erweiterte Freiräume der Muße entstehen können. Vor diesem Hintergrund kann untersucht werden, wie sich die historischen, eng mit Privilegienstrukturen der Muße verbundenen Stadtformen zu neueren, gewandelten Gesellschaftskonzepten und damit zusammenhängenden Stadtbildern verhalten.

Stadt und Natur: Kontrastierungen, Dichotomien, Interdependenzen
Mußeerfahrungen in der Stadt sind in unterschiedlichen Formen und an verschiedensten Orten möglich, als paradigmatisch können hierfür heterotopische Rückzugsräume wie Parks, Alleen, Friedhöfe und andere gärtnerische Anlagen gelten. An diesen Orten kommt es zu einem komplexen Zusammenspiel von Stadt und kultivierter bzw. reglementierter Natur, in welchem das vermeintlich dichotome Verhältnis von Stadt und Natur neu ausgehandelt wird: Wollen diese naturverwandten Orte Gegenwelten zum urbanen Getriebe darstellen, kann diese Binarität angesichts der Zugehörigkeit zum städtischen Raum selbst ins Wanken geraten. Damit stellt sich nicht nur die Frage nach dem Bedeutungswandel solcher Räume, sondern in gleichem Maße geraten Bewegungen wie das Konzept der Gartenstadt oder des ‚urban gardening‘ in den Blick.

Transgressionserfahrungen von Muße im urbanen Raum
Aus den bisherigen Überlegungen des SFB ist das transgressive Potenzial von Muße hervorgegangen: Muße kann den Gegensatz von vita activa und vita contemplativa überschreiten. In Bezug auf urbane Muße ist daher zu diskutieren, ob und in welchen Formen auch abseits der ‚klassischen‘ urbanen Rückzugsräume wie Gärten, Parks und Museen an urbanen ‚hotspots‘ Mußeerfahrungen möglich sind.

Wahrnehmungsformen, Praktiken und Erlebnisstrukturen urbaner Muße
Die Beschäftigung mit Formen urbaner Muße legt in den meisten Fällen nahe, auch deren sinnliche Wahrnehmung mit in den Blick zu fassen. Gerade im urbanen Kontext – also einem, der nicht selten von einer Reizüberflutung geprägt ist – scheint dieser Aspekt eine besondere Bedeutung zu besitzen, sei es für Beobachter*innen oder für Bewohner*innen. Figuren wie die des Flaneurs oder die zunehmende touristische Erschließung städtischer Räume sind als paradigmatische Beispiele zu nennen. Sowohl aus der Sicht literarischer Ästhetisierungen und vermittelter Erfahrungsberichte als auch lebensweltlicher Eindrücke kann hier folglich das Empfinden urbaner Muße ausgelotet werden.

 

Das vorläufige Tagungsprogramm finden Sie hier.

 

Der Workshop wird organisiert von

Prof. Dr. Peter Philipp Riedl

 

Mehr über den Sonderforschungsbereich 1015 Muße. Grenzen, Raumzeitlichkeit, Praktiken.