"Alternativen zum Realismus"
Wann |
24.06.2010 um 09:00 bis 26.06.2010 um 18:00 |
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Wo | FRIAS, Albertstr. 19, Seminarraum |
Name | Dr. Gesa von Essen |
Teilnehmer |
nach Anmeldung |
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Organisation: Prof. Moritz Baßler
Alternativen zum Realismus.
Verfahrensgeschichte der deutschen Literatur 1886-1910
(Workshop am FRIAS, Freiburg im Breisgau 24.-26. Juni 2010)
Textverfahren des Poetischen Realismus sind in den letzten Jahrzehnten intensiv und textsemiotisch anspruchsvoll diskutiert worden. Bereits vorher hatten die radikalen Texturen der emphatischen Moderne ab ca. 1910 entsprechende Lektüren und Theorieschübe provoziert. Dazwischen allerdings klafft eine Lücke, die literaturgeschichtlich durch Ausdifferenzierung verschiedener ‚Ismen’ ohne erkennbare Einheit gekennzeichnet ist. Naturalismus, Symbolismus, Fin de Siècle, Impressionismus, Neuromantik, Jugendstil, Wiener, Münchner und Berliner Moderne – der Label sind viele, und dennoch bleiben große Teile der deutschen Literatur der Zeit davon unerfasst; insbesondere die ‚Nuller Jahre’ des 20. Jahrhunderts sind ein weißer Fleck auf der literaturgeschichtlichen Karte.
Wir möchten für diesen Workshop am FRIAS eine Gruppe von verfahrensanalytisch und literatursemiotisch versierten LiteraturwissenschaftlerInnen versammeln, die Interesse an einer ergebnisoffenen Neuvermessung dieser Jahrzehnte zwischen Realismus und emphatischer Moderne haben. Anzusetzen wäre noch einmal bei den realistischen Prämissen, zu fragen ist, warum sie sich überleben, was genau der ‚konsequente Realismus’ der Naturalisten fortschreibt und wo er neu ansetzt. Gibt es ähnliche Anknüpfungspunkte auch für die symbolistische Richtung? Gerade das Übergangsfeld von realistisch-diegetisch ausgerichteten zu mehr formalen und abstrakten Textverfahren wäre noch einmal genauer zu kartieren. Lassen sich die einzelnen Stile überhaupt textsemiotisch trennscharf beschreiben? Verfahrensähnlichkeiten zwischen Naturalismus und Symbolismus wurden längst konstatiert (z.B. die Kataloge bei Holz und Huysmans). Gibt es also Gemeinsamkeiten zwischen den divergierenden Verfahren dieser Zeit? Immerhin setzt hier ‚die’ literarische Moderne ein. Wie kommt es aber, dass damals einflussreiche ‚Moderne’ wie Dehmel, Liliencron, später Hille oder Blei für unsere Moderne-Erzählungen heute kaum eine Rolle spielen, desgleichen Sprachexperimentatoren wie Scheerbart und Morgenstern? Interessant ist auch, dass viele Autoren, die erst unter dem expressionistischen Programmdiskurs bekannt wurden, ihre Verfahren bereits deutlich vor 1910 entwickelten (Walser, Däubler, Döblin, Einstein, Lasker-Schüler etc.).
Erwünscht sind Beiträge, die solche Fragen auf Grundlage einer vergleichenden strukturalen Analyse literarischer Texte angehen, also womöglich Einzelanalysen mit Vorschlägen literaturgeschichtlicher Modellbildung verbinden. Dabei soll es vornehmlich um literaturimmanente Aspekte gehen, nicht so sehr um kulturgeschichtliche Bezüge. Die Vorträge sollten eine Länge von 30 Minuten nicht überschreiten. Vorgesehen sind außerdem Plenarrunden, in denen ausgewählte Primärtexte diskutiert werden.
Programm
Donnerstag, 24. Juni
14.00 Begrüßung
14.15 Moritz Baßler (Münster): ‚Routines’. Ein Versuch, die Literatur nach dem Poetischen Realismus auf den Begriff zu bringen
15.15 Christa Karpenstein-Eßbach (Mannheim): Literaturgeschichtliche Fassungen der deutschen Literatur um 1900
16.15 Kaffeepause
16.45 Fabian Lampart (Freiburg i.Br.): "das Sprachvermögen der Musik in's Unermessliche vermehrt". Intermedial reflektiertes Erzählen um 1900
17.45-19.15 Plenum
19.30 Abendessen
Freitag, 25. Juni
09.45 Robert Matthias Erdbeer (Münster): Der innere Himmel. Vom Poetischen Realismus zum Vitalismus
10.45 Katharina Grätz (Freiburg i.Br.: Codierungen des Topographischen. Literarische Verfahren der Raumdarstellung von Adalbert Stifter bis zu Robert
Walser
11.45 Kaffeepause
12.15 Peter Sprengel (Berlin): Mosaik und Doppelung: Trunkenheits-Darstellung bei Liliencron, Holz, Gerhart Hauptmann und Scheerbart
13.15 Lunch
15.15 Christoph Brecht (Essen): Naive Theorie, Sentimentalische Praxis: Die Inkonsequenzen des Naturalismus
16.15 Ingo Stöckmann (Bonn): Über Fülle/Überfülle. Textverfahren der Copia um 1890 (Bölsche/Conrad)
17.15 Kaffeepause
17.45-19.15 Plenum
19.30 Abendessen
Samstag, 26. Juni
9.45 Heinz Drügh (Frankfurt am Main): „Car c´est l´air qu´on respire qui fait et modifie la sensibilité“. Zu Heinrich Manns und Theodor Fontanes 'fin-de-si-ekligem` Realismus (Im Schlaraffenland. Frau Jenny Treibel)
10.45 Michael Titzmann (Passau): Wandel der literarischen Anthropologie 1890-1910
11.45 Kaffeepause
12.15 Plenum
13.45 Abschluss
14.00 Lunch / Abreise