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Der rote Botschafter im London des Zweiten Weltkrieges – FRIAS Alumnus Prof. Dr. Gabriel Gorodetsky veröffentlicht „The Maisky Diaries“

Gabriel Gorodetsky, ehemaliger FRIAS Fellow, emeritierter Professor für Geschichte an der Tel Aviv Universität und Fellow des All Souls College in Oxford, hat eine kommentierte Auswahl aus den Tagebüchern des Ivan Maisky veröffentlicht, welche dieser während seiner Zeit als russischer Botschafter in London von 1932 bis 1945 schrieb.

Als einziger russischer Diplomat, der auch enge Beziehungen zu Stalins Kreisen hatte, hielt Maisky seine Erlebnisse detailgetreu, wortgewandt und mitunter scharfzüngig fest. Während der Rest des diplomatischen Korps aus Furcht vor Stalins Paranoia und Terror gegen seine vermeintlichen Feinde darauf achteten, keine gegen sie verwendbaren persönlichen schriftlichen Dokumente zu verfassen, behielt Maisky seinen unabhängigen Geist und sah sich als direkten Zeugen der Zeitgeschichte. Seine Aufzeichnungen erlauben einen seltenen Einblick sowohl in die inneren Partei-Angelegenheiten Stalins, als auch in die politischen Kreise der britischen und europäischen Eliten. Maisky, als Teil der kosmopolitischen russischen Intelligentsia, beherrschte mehrere Sprachen und verbrachte prägende Jahre seiner späten Jugend in Europa. Dies ermöglichte ihm ein gleichermaßen großes Verständnis für europäische wie russische Politik und Kultur. Maisky war in britischen Kreisen bekannt und geschätzt. Er pflegte engen Kontakt zu bekannten Persönlichkeiten wie Neville Chamberlain, Winston Churchill, Beatrice Webb, zu Künstlern wie Jacob Epstein, der eine Büste für ihn schuf, Oskar Kokoschka, der ihn portraitierte, zu Schriftstellern und Intellektuellen. Als Botschafter erhielt er den Auftrag, gute Verbindungen mit den britischen Konservativen herzustellen, welche, im Gegensatz zu sozialistischen Kreisen, in Russland als diejenigen wahrgenommen wurden, die machtpolitische Entscheidungen in Großbritannien trafen. Durch seine vielen Kontakte gelang es Maisky, die britische Haltung zu Nazi Deutschland, dem Ribbentrop-Molotov Pakt und, später, der „Grand Alliance“ frühzeitig einzuschätzen.

 

Als kosmopolitischer, vielspracher, unabhängig denkender und früherer Menshevik mit jüdischen Wurzeln befand sich Maisky in ständiger Gefahr, verhaftet zu werden, insbesondere in den letzten Kriegsjahren. Die Tatsache, dass um ihn herum ein kleiner Personenkult entstand und dass er sich wohl ein wenig zu gut mit den Briten verstand wurde vom Kremlin mit Argwohn beobachtet. Wenig überraschend darum, dass er im Juni 1943 nach Russland zurückberufen wurde, trotz Protestes seitens des britischen Außenministers Eden und des britischen Botschafters in Moskau. In 1953, im Alter von 70 Jahren, wurde er schließlich verhaftet und des Landesverrats angeklagt. Trotz Stalins Tod zwei Wochen später blieb Maisky weitere zwei Jahre in Haft. Im Jahr 1960 wurde er schließlich rehabilitiert, in die Russische Akademie der Wissenschaften berufen und starb im hohen Alter von 91 Jahren.

 

Gabriel Gorodetsky gelang es 1993, Zugang zu den Tagebüchern in den Archiven es russischen Außenministeriums zu bekommen. In 12 Jahren sorgfältiger Recherchearbeit, einschließlich eines Jahres als Fellows am FRIAS 2011/12, hat er nun Maisky’s Original-Schriften veröffentlicht. Gorodetsky arbeitete sich durch etwa 1600 Seiten Aufzeichnung und führte sie mit Material aus öffentlichen und privaten Archiven in Russland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten zusammen. Gorodetsky’s Kommentar leitet die Leserinnen und Leser durch zwei parallele Narrative: die Begebenheiten um den Ursprung und Verlauf des Zweiten Weltkrieges und Maiskys persönliche Geschichte des Überlebens.

 

Die nun veröffentlichten Auszüge aus Maisky’s Tagebüchern werden gefolgt von einer dreibändigen vollständigen Ausgabe der Tagebücher, von denen Gorodetskys Kommentar etwa ein Drittel ausmacht. Im Mai 2015 verbrachte Gabriel Gorodetsky im Rahmen des FRIAS Alumni Programmes 4 Wochen am FRIAS, um seine Arbeit an der deutschen Ausgabe der Maisky-Tagebücher zu beginnen. Diese werden im September 2016 im Verlag Beck publiziert.

Rezensionen des Buches von Financial Times, The Telegraph, Standpoint, The Times, Le Monde Diplomatique.

 

10/2015