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Sichtbar verständliche Dinge

Wann 12.12.2008 um 09:00 bis
14.12.2008 um 17:00
Wo Albertstr. 19, Seminarraum
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Sichtbar verständliche Dinge
 
Tagung vom 12. bis 14. Dezember 2008
 

(Organisatoren: Günter Figal, Ralf von den Hoff, Bernhard Zimmermann)

 

Die Geisteswissenschaften haben es nicht nur mit dem Geist, sondern immer auch mit Din­gen, und zwar meist mit sichtbaren Dingen, zu tun. Skulpturen und Bilder sind ebenso Dinge wie geschriebene oder gedruckte Texte, wie Fundstücke, an denen ihre Bedeutung, vielleicht auch nur die Spur ihrer Bedeutung abzulesen ist. Das Verständnis von Traditionen und Kultu­ren ist immer an den Bezug auf solche Dinge gebunden. Es wird in seinem Wesen deshalb auch nicht zu klären sein, ohne daß die Dinglichkeit des zu Verstehenden gründlich bedacht wird.

 

 

 

Dazu gibt es in den Geisteswissenschaften bisher noch kaum Ansätze. Zwar ist der skizzierte Sachverhalt allgemein bekannt. Aber er ist so gut wie gar nicht angemessen reflektiert wor­den. Das mag mit der verbreiteten Überzeugung zusammenhängen, daß die Dinge nur „Trä­ger“ der Bedeutung sind, so daß diese als solche abgelöst von ihren „Trägern“ erfaßt werden kann. Dafür, daß es nicht so ist, spricht eine Reihe von Sachverhalten: Philologische Texther­stellung, Rekonstruktion, Beschreibung und Deutung – alles das sind geisteswissenschaftliche Praktiken, die ohne die Betrachtung, das heißt: ohne die Sichtbarkeit der Dinge nicht möglich sind. Sie spielen sich in der Sichtbarkeit ab. Nur weil sie sichtbar sind, können die Dinge ver­standen werden, und ihre Betrachtung ist mehr als eine notwendige Bedingung. Die Ver­ständlichkeit des Sichtbaren hängt wesentlich von der Sichtbarkeit und dem Sehen der Dinge ab.

 

 

 

Die Aufmerksamkeit auf die Dinge ist in den letzten Jahren größer geworden. Die Ethnologie und die Soziologie haben die Dinge entdeckt. In diesem Zusammenhang ist von „materialen Kulturen“ die Rede. Allein dieser Ausdruck zeigt jedoch an, daß hier der eigentümliche Cha­rakter der sichtbar verständlichen Dinge verfehlt ist. „Material“, als Äquivalent des griechi­schen hyle, ist ein Wort, das in den Bereich der Herstellung gehört und allein dort einen Sinn hat. Um die sichtbare Verständlichkeit zu bestimmen, muß man sie als solche zu erfassen ver­suchen und nicht von Modellen her konzipieren, die ihr unangemessen sind. Dem wird allein ein phänomenologisch-hermeneutisches Vorgehen gerecht. Allein in der Phänomenologie (Husserl, Merleau-Ponty) sind Beschreibungs- und Bestimmungsmöglichkeiten sichtbarer Verständlichkeit entwickelt worden.

 

 

 

Die Tagung, die der Vorbereitung einer Forschergruppe zum Thema dient, wird sich an sol­chen Methodenfragen orientieren, aber nicht auf sie be­schränkt sein. Die Methodenreflexion im skizzierten Sinne wird vor allem die Aufgabe der Philosophie sein. Darüber hinaus sind jedoch paradigmatische Analysen des Ding-Verständ­nisses und des Dinglichen in seiner Ver­ständlichkeit durchzuführen, die originäre Fragestel­lungen der beteiligten Wissenschaften aufnehmen. Hierher gehören Fragen der Text- und Bildkritik, der Bildbeschreibung (Ekphra­sis), der Zusammengehörigkeit von Verständnis und der Sicherung und Rekonstruktion von Fundstücken, die Berücksichtigung der verschiedenen Schrift-Bilder auf Papyros, Pergament, Stein und Papier. Dabei wird in hermeneutischer Per­spektive auch die Frage nach der Voll­ständigkeit oder Unvollständigkeit dieser Dinge, z.B. von Bruchstücken, Torsi und Fragmen­ten zu berücksichtigen sein. An diesen wie auch an Palimpsesten wird die Dinghaftigkeit des Überlieferten besonders deutlich.

 

 

 

Die Tagung gliedert sich in vier Abteilungen:

 

 

 

Begriffe: Hierher gehört die Erörterung traditioneller Dingbegriffe, phänomenologi­sche Beschreibung und Bestimmung verständlicher Dinge in ihrer Sichtbarkeit.

 

Bilder: Das Bild kann als Musterbeispiel des in betonter Weise Sichtbaren und Verständ­lichen gelten. Die Aufgabe der Bildkritik besteht unter anderem in der Klä­rung der Zusammengehörigkeit und des Zusammenspiels von Sichtbarkeit und Ver­ständlichkeit

 

Worte: Dem Modellcharakter von Bildern entsprechend kann die Beschreibung und In­terpretation sichtbar verständlicher Dinge ihr Modell in der verstehensorientierten Bildbeschreibung (Ekphrasis) finden. Zielfrage wird sein, wie sich das Dingliche zur Sprache bringen läßt.

 

Spuren: Die Interpretation des sichtbar Verständlichen hat es jedoch nicht immer mit ei­ner Bedeutungseinheit wie einem Bild zu tun. Oft genug ist Bedeutung durch das Sichtbare nur angezeigt, so dass sie konstruiert oder rekonstruiert werden muss. Die Frage nach dem „materiellen Gedächtnis“ gehört ebenso hierher wie die Frage nach einem das sichtbar Dingliche umgreifenden Bedeutungszusammenhang.

 

Programm:

Freitag, 12. Dezember

13.30 Uhr    
Günter Figal (Freiburg)
„Sichtbar verständliche Dinge“

14.30 Uhr    
Karl-Heinz Lembeck (Würzburg)
„Vom Ding zum Gegenstand und zurück: Begründungsverhältnisse“

15.30 Uhr    
Pause

16.00 Uhr    
Maria Moog-Grünewald (Tübingen)
„Le Parti pris des choses: Francis Ponge und die Wort-Dinge“

17.00 Uhr    
Heike Gfrereis (Marbach)
„Auf einen Blick verständlich. Über ästhetische Erfahrung und die Sichtbarkeit literarischer
Strukturen am Beispiel der Ausstellung zu W.G.Sebald im Literaturmuseum der Moderne“


Samstag, 13. Dezember

10.00 Uhr    
Luca Giuliani (Berlin)
„Unsichtbare, unverständliche Dinge: vom Wort zum Bild zur Spur“

11.00 Uhr    
Mario Baumann (Giessen)
„Fragment versus Totalität. Variationen des ekphrastischen Blicks in Philostrats Eikones“

12.00 Uhr    
Gottfried Boehm (Basel)
„Die Sichtbarkeit der Dinge. Ordnungen des Wissens in der bildenden Kunst“