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Rainer Enrique Hamel (Mexico): Bilinguale Erziehung und Sprachenpolitik „von unten“ in mexikanischen Indianerschulen

Wann 11.07.2012
von 14:00 bis 16:00
Wo Universität Freiburg, KG III, HS 3305
Name
Teilnehmer universitätsoffen
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Rainer Enrique Hamel
Universidad Autónoma Metropolitana, México
ehamel@xanum.uam.mx
www-hamel.com.mx

 

Die Möglichkeiten und Perspektiven von Mehrsprachigkeit und zweisprachiger Erziehung stehen im Mittelpunkt einer Reihe gegenwärtiger Debatten in verschiedenen Disziplinen und müssen im Kontext einer zentralen Frage der Globalisierung betrachtet werden: Wie können wir, d.h. über 6.000 existierende ethnolinguistische Gruppen und Nationen, in den Territorien von 200 Nationalstaaten und der nur langsam zusammenwachsenden regionalen Staatengemeinschaften zusammenleben?
Diese Frage stellt sich verschärft in Lateinamerika, wo der seit der Unabhängigkeit betriebene Aufbau von möglichst homogenen Nationalstaaten europäischer Prägung immer stärker in Widerspruch zu der faktischen Multikulturalität und den erstarkten indianischen Bewegungen tritt. Seit der Kolonialzeit herrschen Erziehungssysteme der kulturellen und sprachlichen Assimilation für die indianische Bevölkerung vor. Erst in den letzten Jahrzehnten entwickelten sich unter dem Druck von unten neue Modelle der “Educación Intercultural Bilingüe”, die zumindest formal auf die Entwicklung und den Ausbau der indianischen Kulturen und Sprachen abzielen.
In Mexiko betreuen über 60.000 indianischen Lehrer/innen ein interkulturelles bilinguales Grundschulsystem mit ca. 1,2 MillionenSchüler/innen, in dem jedoch nach wie vor das einheitliche offizielle Schulprogramm des mexikanischen Staats mit seinen obligatorischen Schulbüchern angewendet wird und die Erziehung de facto immer noch zur kulturellen Assimilation und zum Verlust der Indianersprachen beiträgt. Vor diesem Hintergrund organisierten sich zwei indianische Schulen in der P’urhepecha Region des zentralen Hochlands und entwickelten Schritt für Schritt ihr eigenes Curriculum. Sämtliche Fächer einschließlich der Alphabetisierung werden seitdem in der Muttersprache der Kinder unterrichtet und Spanisch als Zweitsprache gelehrt.
Der Vortrag berichtet von einer mehr als zehnjährigen Zusammenarbeit zwischen diesen Schulen und einem Team von Linguisten, Anthropologen und Pädagogen, in der durch kollaborative Forschung, Curriculumsentwicklung und Lehrerfortbildung ein interkulturelles bilinguales Schulmodell entwickelt wurde, das in seiner Art einzigartig in Mexiko ist. Zentrale sozio- und psycholinguistische Fragestellungen der zweisprachigen Erziehung werden angesprochen.
Der 30-minütige Dokumentarfilm “T’arhexperakua – creciendo juntos” (Spanisch - P’urhepecha mit englischen Untertiteln) stellt die Etappen, Arbeitsformen und theoretischpraktische Grundlegung des Schulprojekts vor.
Rainer Enrique Hamel is a Senior Visiting Fellow at the Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) and a Professor of Linguistics in the Department of Anthropology, Universidad Autónoma Metropolitana (UAM), in Mexico City. He obtained his PhD in Romance Linguistics from the University of Frankfurt in 1988. Professor Hamel specializes in sociolinguistics, applied linguistics, discourse analysis, language policy, bilingualism and bilingual education. Over more than 30 years, he has been doing research on language shift, indigenous bilingual education and language policy in Mexico and in other Latin American countries. He is the Director of CIEIB, the inter-institutional Research Program “Indigenous Community and Bilingual Intercultural Education” hosted at UAM and the Director of the Permanent Project Networks “Language Policy in Latin America” of ALFAL, the Association of Linguists and Philologists of Latin America.