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Prof. Dr. Thomas Klinkert

Romanische Philologie (Französisch, Italienisch, Spanisch)
Universität Freiburg
Okt. 08 - Sept. 09

Vergangene FRIAS-Aufenthalte

  • Okt. 08 - Sept. 09

 

CV

Thomas Klinkert wurde am 22. Oktober 1964 in Dingolfing (Niederbayern) geboren und hat ebendort 1983 das Abitur abgelegt. Sein im Herbst 1983 an der Ludwig-Maximilians-Universität München begonnenes Studium des Englischen und des Russischen unterbrach er, um von März 1984 bis Juni 1985 seinen Zivildienst beim Bayerischen Roten Kreuz Dingolfing zu absolvieren. Im Herbst 1985 setzte er sein Studium an der LMU München mit der Fächerkombination Deutsch/Französisch fort. Nach einem insgesamt zehnsemestrigen, durch einen zweisemestrigen Auslandsaufenthalt an der Universität Amiens unterbrochenen Fachstudium legte er im Dezember 1991 in München das Erste Staatsexamen ab. Im Juli 1994 erfolgte mit einer von Prof. Dr. Rainer Warning betreuten Dissertation zum Thema Bewahren und Löschen. Zur Proust-Rezeption bei Samuel Beckett, Claude Simon und Thomas Bernhard (Tübingen 1996) die Promotion. Die Assistentenjahre verbrachte er zunächst an der Universität Mannheim (1994/95), sodann am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hermann H. Wetzel an der Universität Regensburg, wo er sich im Januar 2001 mit einer Arbeit zum Thema Literarische Selbstreflexion im Medium der Liebe. Untersuchungen zur Liebessemantik bei Rousseau und in der europäischen Romantik (Hölderlin, Foscolo, Mme de Staël und Leopardi) (Freiburg 2002) habilitierte. Nach Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Eichstätt (Sommer 2002) und Graz (Winter 2002/03) wurde er im Januar 2003 auf eine ordentliche Professur für Romanistische Literaturwissenschaft an der Universität Mannheim (Nachfolge Prof. Dr. Charles Grivel) berufen, wo er von April 2003 bis August 2007 tätig war. Von Oktober 2004 bis Mai 2007 war er Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim. Im April 2007 erhielt er einen Ruf auf eine ordentliche Professur für Romanistische Literaturwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Nachfolge Prof. Dr. Frank-Rutger Hausmann), dem er im September 2007 folgte. Seit dem 1. Oktober 2008 ist er für 12 Monate als Senior Fellow am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) tätig.

 

Ausgewählte Publikationen

Bücher

  • Thomas Klinkert, Bewahren und Löschen. Zur Proust-Rezeption bei Samuel Beckett, Claude Simon und Thomas Bernhard, Tübingen 1996 (Narr: Romanica Monacensia 48), XI + 311 S.
  • Thomas Klinkert, Einführung in die französische Literaturwissenschaft, Berlin 2000 (Erich Schmidt: Grundlagen der Romanistik 21), 262 S. – 2., durchgesehene Auflage: Berlin 2002. – 3., durchgesehene Auflage: Berlin 2004, 268 S. – 4., durchgesehene Auflage: Berlin 2008, 255 S.
  • Thomas Klinkert, Literarische Selbstreflexion im Medium der Liebe. Untersuchungen zur Liebessemantik bei Rousseau und in der europäischen Romantik (Hölderlin, Foscolo, Madame de Staël und Leopardi), Freiburg i. Br. 2002 (Rombach: Litterae 92), 283 S.
  • Thomas Klinkert/Monika Neuhofer (Hg.), Literatur, Wissenschaft und Wissen seit der Epochenschwelle um 1800. Theorie – Epistemologie – komparatistische Fallstudien, Berlin/New York 2008 (de Gruyter: Spectrum Literaturwissenschaft 15), 392 S.

Aufsätze

  • Jochen Hörisch/Thomas Klinkert, „Vorbemerkungen zur Schriftenreihe: Das Wissen der Literatur“, in: Frank Degler/Christian Kohlroß (Hg.), Epochen/Krankheiten. Konstellationen von Literatur und Pathologie, St. Ingbert 2006 (Röhrig: Das Wissen der Literatur 1), S. 7–13.
  • Thomas Klinkert, „Jean Pauls Romane als Paradigmen der Verschränkung von Realität und Fiktion – mit einem Blick auf Cervantes und Diderot“, in: Mathias Mayer (Hg.), Modell „Zauberflöte“: Der Kredit des Möglichen. Kulturgeschichtliche Spiegelungen erfundener Wahrheiten, Hildesheim u.a. 2007 (Olms: Echo – Literaturwissenschaft im interdisziplinären Dialog 10), S. 201–224.
  • Thomas Klinkert, „Literatur, Wissenschaft und Wissen – ein Beziehungsdreieck (mit einer Analyse von Jorge Luis Borges’ Tlön, Uqbar, Orbis Tertius)“, in: Thomas Klinkert/Monika Neuhofer (Hg.), Literatur, Wissenschaft und Wissen seit der Epochenschwelle um 1800. Theorie – Epistemologie – komparatistische Fallstudien, Berlin/New York 2008 (de Gruyter: Spectrum Literaturwissenschaft 15), S. 65–86.

 

FRIAS-Projekt

Untersuchungen zur poetologischen Funktion wissenschaftlicher Modelle im Roman seit 1750 (Frankreich, Deutschland, Italien, Lateinamerika)
 

Der Roman des 19. Jahrhunderts (Goethe, Balzac, Manzoni, Flaubert, Zola, Verga) gewinnt seine Identität durch eine poetologische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Diskursen, Modellen und Verfahren. Diese Zusammenhänge wurden in den letzten Jahren vielfach dargestellt. Ziel meiner Untersuchung ist es, die historische Perspektive auszuweiten und sowohl die Vorgeschichte des Verhältnisses von Roman und Wissenschaft seit der Mitte des 18. Jahrhunderts als auch die weitere Entwicklung dieses Verhältnisses im 20. Jahrhundert in den Blick zu nehmen.
Dabei kann gezeigt werden, dass um 1750 die Dichtung im System des menschlichen Wissens gleichberechtigt neben der Philosophie (alias „Science“) und der Geschichtsschreibung stand. Dieses Verhältnis wird in Romanen von Diderot und Rousseau durchgespielt und insofern nutzbar gemacht, als die poetische Fiktion und die Metaphorizität der poetischen Sprache dann einspringen können, wenn sich Lücken in der rationalen Argumentationskette auftun.
An der Schwelle zum 19. Jahrhundert lässt sich an Goethes Wahlverwandtschaften das Auseinandertreten von Fiktion und Wissen und damit die Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Funktionssysteme ablesen. Die suggestive chemische Metapher, die der Roman im Titel führt, taugt nicht als Erklärungsmodell für die Beziehungsprobleme, von denen der Roman erzählt.
Das im 19. Jahrhundert dominante Paradigma des wirklichkeitsdarstellenden Romans wird poetologisch im Rekurs auf die mittlerweile hegemonial gewordene Wissenschaft von Balzac begründet, der sich im „Avant-propos“ zu seiner Comédie humaine u. a. auf die Naturforscher Cuvier und Geoffroy Saint-Hilaire beruft. Auch bei Manzoni, Flaubert, Zola und Verga erweist sich das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Literatur als poetologisch zentral.
Während der Roman im 19. Jahrhundert seine Identität in einer poetologisch weitgehend affirmativen – wenngleich in der Textwirklichkeit ambivalenten – Auseinandersetzung mit Wissenschaft gewinnt, ändert sich das Verhältnis im 20. Jahrhundert grundlegend. Autoren wie Pirandello, Proust, Svevo, Musil, Borges, Cortázar, Calvino, Del Giudice und Houellebecq stellen in der Konfrontation mit wissenschaftlichen Modellen traditionelle literarische Darstellungsformen radikal in Frage.
Der diachrone Längsschnitt von 1750 bis etwa 2000 zeigt, dass ein Hauptstrang des modernen Romans sich durch – je unterschiedlich funktionalisierte – poetologische Bezugnahmen auf wissenschaftliche Diskurse und Modelle konstituiert. An der hiermit gegebenen literarischen Reihe lässt sich literarischer und gesellschaftlicher Wandel sinnfällig ablesen.