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Wissenschaft beim Mittagessen neu denken

Aktuelle Lunch Lecture Reihe fragt: Wie könnte Wissenschaft innovativer, globaler, gerechter und konzeptioneller werden, wenn ihre sogenannten "Ränder" nicht länger als marginal betrachtet werden?

 

1882 schrieb Friedrich Nietzsche“Gott ist tot!”. Mit diesem berühmten Aphorismus verwies Nietzsche nicht allein auf den Rückgang religiösen Glaubens in der Gesellschaft, erklärte J.Prof. Philipp Schwab im Rahmen der Lunch Lecture „Shifting Perspectives – When the Margins become the Center“ am vergangenen Donnerstag. Nietzsche machte auf einen weitaus tief greifenderen Prozess aufmerksam: Es schien ihm unhaltbar anzunehmen, dass der Mensch, sein Intellekt und Geist, das Zentrum des (wissenschaftlichen) Universums bilde.

Schwabs Lunch Lecture war die vierte in der Reihe. Das übergreifende Thema der Lunch Lecture Serie lautet “Shifting Perspectives – When the Margins Become the Center”. Ganz im Sinne des Themas – und wie es für unsere Lunch Lectures typisch ist – sind die Interpretationen und Perspektiven unserer Referentinnen und Referenten sehr unterschiedlich. Nachdem Prof. Oliver Müller zu Beginn des Semesters die turbulente Reise der Philosophischen Anthropologie von der Peripherie ins Zentrum der Philosophie skizziert hatte, gab Prof. Andreas Mehler einen Einblick in den Wandel der Zugangsvoraussetzungen der Wissensproduktion in globaler Politikwissenschaft. Die Finanzierungsmechanismen für experimentelle Forschungsprojekte standen im Mittelpunkt der Vorlesung von Prof. Cecile King. Sie zeigte auf, wie die Finanzierungsstrukturen der medizinischen Forschung die Erforschung bestimmter Krankheiten fördern und andere marginalisieren.

 

Das „Ende der Metaphysik“ – Ein philosophisches Beispiel

„Wie vermochten wir das Meer auszutrinken?
Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen?
Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten?“

(Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 1882)

Nietzsche wies mit diesen Worten auf eine epistemologische Krise hin: die Dezentrierung metaphysischer Systementwürfe und holistischer Kernannahmen. Die sozialen Umbrüche, wissenschaftlichen Meilensteine und der Aufstieg empirischer Disziplinen hatten zu einer fundamentalen Horizonterweiterung beigetragen. Sie stellte traditionelle und zentrale Paradigmen infrage und führten damit zu einem Verlust von Orientierung und Halt. Inmitten dieser Umwälzungen geriet die Metaphysik – die Gedankenschule, die sich mit den Gründen des Seins und den Fundamenten aller Erkenntnis befasste – zunehmend ins Abseits. Neue Aspekte des Seins wie etwa Singularität, Kontingenz und das Werden wurden als zunehmend relevante philosophische Territorien markiert und von Denkern wie Søren Kierkegaard erschlossen. Damit wurde offenbar, dass es fundierende Gründe und ein vereinigendes System allen Seins kaum geben könne. Mit der Dezentrierung metaphysischen Denkens stellte sich die dringende Frage nach neuen Prinzipien, neuen Zentren der Philosophie.

Die Idee einer fundamentalen Begründung wurde weitgehend verworfen. Die Dezentrierung ermöglichte der Philosophie jedoch neue Perspektiven und Diskussionen, vertikale Hierarchien und interdisziplinär informierte Perspektiven einzunehmen. Obwohl die Metaphysik nicht mehr das Zentrum philosophischen Denkens konstituierte, lebt ihr Erbe als Forderung nach Neuzentrierung und der Fundierung von Wissen weiter, so Philipp Schwab.

Bis Ende Januar findet jeden Donnerstag eine Lunch Lecture statt. Nächsten Donnerstag, am 24. Januar, wird Prof. Daniel Leese über die Implikationen des weltpolitischen wie akademischen Aufstiegs Chinas referieren und einen Einblick in die dadurch beförderte Entstehung neuer Paradigmen von Governance gewähren. Den Abschluss der Reihe bildet Dr. Anne-Laure Briatte am 31. Januar. Sie fokussiert in ihrem Vortrag die historischen Wandlungsprozesse im Zuge der Frauen- und Geschlechtergeschichte und der Intersektionalität.

 

Wir laden Sie herzlich ein, die nächsten Lunch Lectures zu besuchen und in nur 45 Minuten einen kompakten Eindruck diverser akademischer Teilgebiete zu erlangen.

 

Jeden Donnerstag im Januar 12.15 - 13.00 Uhr

Universität Freiburg, KG I, Hörsaal 1015.

Die Vorträge finden auf Englisch statt.

 

Videomitschnitte der Lunch Lectures finden Sie hier