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“Theorien, Methoden und Praktiken des Interpretierens“ - Konferenz der FRIAS School of Language & Literature

In der Wissenschaftsforschung (Science Studies) hat man sich in den letzten Jahren intensiv mit der Analyse der wissenschaftlichen Praxis befasst. In sogenannten Laborstudien wurden beispielsweise Physiker oder Mediziner von Soziologen oder Wissenschaftshistorikern bei der Arbeit beobachtet, um herauszufinden, inwiefern die Praxis von den Theorien abweicht, die in der Wissenschaftstheorie und der Wissenschaftsgeschichte über die Naturwissenschaften kursieren. Dies hat in der in der Wissenschaftsforschung zu dem geführt, was man heute "practice turn" nennt.

Die Geisteswissenschaften sind bislang kaum Gegenstand solcher Untersuchungen geworden. Was sollte man auch dabei feststellen, wenn man etwa einem Philologen beim Lesen oder Schreiben eines Textes oder beim Setzen einer Fußnote über die Schulter sieht? Geisteswissenschaftler experimentieren schließlich nicht; ihre Praktiken sind zum großen Teil unsichtbar.

Die Veranstalter der Tagung „Theorien, Methoden und Praktiken des Interpretierens“, die vom 13.-15. September im FRIAS stattfinden wird, fragen nun aber dennoch danach, ob es nicht Möglichkeiten gibt, auch die Geisteswissenschaften, insbesondere die Literaturwissenschaften, aus der Perspektive eines "practice turn" zu beobachten. Dabei konzentrieren sie sich auf eine der Basistätigkeiten eines Literaturwissenschaftlers: das Interpretieren von Texten. Da man 'von außen' auch hier nur wenig sieht, blicken die Tagungsteilnehmer auf die Interpretationsverfahren, insofern sie sich in Texten abbilden, etwa als Argumente, Zitiertechniken, Darstellungsverfahren oder Ähnliches. Sie wollen zeigen, welche Routinen und Praktiken, welche impliziten Regeln und welche Verfahrensweisen die Praxis des Interpretierens auszeichnen. Ähnlich wie das für die Naturwissenschaften bereits geschehen ist, wollen sie für die Literaturwissenschaften klären, ob diese Praktiken von den explizierten Regeln, die man etwa in literaturwissenschaftlichen Einführungen oder theoretischen Werken zum Interpretieren findet, abweichen.

Im Zentrum der Tagung steht daher die literaturwissenschaftliche Reflexion auf die eigenen Interpretationspraktiken; diese wird erweitert durch ‚externe’, etwa soziologische und wissenschaftshistorische Perspektiven und durch Vergleiche mit Interpretationsverfahren in anderen Disziplinen wie der Geschichtswissenschaft.

Teilnehmen werden unter anderem Glenn Most, Ian Maclean, Jörg Schönert, Gregor Vogt-Spira, Simone Winko und Andreas Kablitz.

Die Tagung, die von der Thyssenstiftung und dem Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS) finanziert wird, resultiert aus einer Kooperation mit der Humboldt-Universität Berlin.

09/2011